30. April: Staub in Ajagös und Wasserfluten auf dem Weg nach Üscharal

Bereits Brehm schrieb, dass die Stadt Ajagös wegen ihres Staubes ungemütlich sein könne und etwas öde sei. Daran hat sich in 144 Jahren nichts geändert. Ständig wirbelte der Wind hier eine Menge Staub durch die Luft, sodass wir eigentlich ziemlich froh waren, Masken vor der Nase zu haben. Und auch einen Haarfestiger braucht man hier nicht, weil innerhalb von Minuten eine feine Erdschicht dem Haar Sturktur und Steifheit verleiht. Abgesehen davon wirkte Ajagös auf uns wie eine Präriestadt ohne Charme. Eine Mischung aus Dorf und Stadt, die uns jedoch weder die Gemütlichkeit des Dorfes, noch die Energie der Stadt spüren ließ. Anfang der 1930er Jahre wurde die einstige Siedlung, die kurzzeitig Sergiopol hieß, im Zuge des Baus der Turkestan-Sibirischen Eisenbahn zur Bahnhofsstadt vergrößert. In der Sowjetunion entwickelte sie sich aufgrund der geografischen Nähe zu China zu einem wichtigen Militärstützpunkt.

Allein rund um den Markt herrschte geschäftges Treiben. Menschen erledigten ihre Einkäufe, Taxifahrer warteten auf Kundschaft. Mit einem von ihnen gerieten wir sogar etwas aneinander: „Fotografieren geht hier nicht. Dafür müsst ihr bezahlen.“ Das sahen die meisten seiner Kollegen jedoch anders und ließen uns gewähren. Während Volker fotografierte, unterhielt ich mich kurz mit einigen Fahrern. Einer erzählte, dass er in Deutschland, in Halle stationiert war. Die beste Zeit sei das gewesen. Nach Balabek aus Pavlodar bereits der zweite Kasache, der in Halle seine schönsten Jahre verbracht hatte.

Von Ajagös brachen wir auf nach Üscharal in der Nähe des Alakölsees. Wir wählten die Route am See entlang, die teilweise auch entlang der kasachisch-chinesischen Grenze führt. Nach etwas mehr als der Hälfte des Weges kamen wir an eine Art Grenzposten. Diese befinden sich bei den Übergängen von einem Gebiet in das andere sowie in Grenzregionen. In unserem Fall war des der Übergang von dem Gebiet Ostkasachstan ins Gebiet Almaty und, der letzte Ort vor der Grenze zu China befand sich auch nicht weit. Leider hatte der Beamte keine guten Nachrichten für uns. Mehrere Autos seien bereits zurückgekehrt, weil das Wasser sehr hoch gestiegen und die Straße deswegen unpassierbar sei. „Ich habe es selbst nicht gesehen. Ihr konnt natürlich selber gucken“, sagte er. Wir überlegten kurz. Ja, wir gucken es uns an!

Nicht immer ist da, wo ein Wille ist, auch ein Weg – insbesondere wenn Schnee im Spiel ist. Manchmal muss man aber nur vom vorgesehehen Weg abweichen. Wir bogen von der Hauptstraße auf einen Feldweg ab, weg vom See. Höhe gewinnen! Das Wasser schienen wir ausgetrickst zu haben. Allerdings bestand unser „Weg“ nur aus einer mehrmals befahreren Reifenspur, die sich teilweise in der Landschaft verlor. Zuweilen hatten wir etwas Zweifel, ob unsere Entscheidung sehr klug oder einfach dumm war.

Vor allem, als sich auf einmal eine breite Schlucht vor uns eröffnete, in der einige LKWs und Container standen. Eine Straße auf die andere Seite führte, zum See hin, gab es nicht. Also fuhren wir weiter an der Schlucht entlang, bis uns einige Arbeiter begegneten. Sie zeigten uns einen weiteren Weg, der hinunter und dann wieder auf die Hauptsstraße führen sollte. Ohne die Männer wären wir wohl nicht auf die Idee gekommen, diese Abzweigung zu nehmen. Also fuhren wir hinein in die Schlucht. Erneut wurden wir von einer überwältigenden Aussicht überrascht! Hier sahen wir auch das Schmelzwasser hindurchfließen, welches den Fahrern an anderer Stelle den Weg versperrt haben musste. Tatächlich kamen wir wieder auf die Hauptstraße und ohne jegliche Hindernisse in Üscharal an.

Der Mann und die Steppe